Zwangs­arbeiter und Kriegs­gefangene in Bethel

Ausgehend von einer einzigen Sachakte, die in den 1970er Jahren unter dem Titel „Ausländische Arbeitskräfte und sonstige Ausländer“, mit der Laufzeit 1941 bis 1945 verzeichnet wurde, begannen die Forschungen zum Einsatz von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen in Bethel. Das Thema war zu Beginn der 2000er Jahre gesellschaftlich virulent geworden. Kommunen und Unternehmen genauso wie die Kirche und Diakonie waren gefragt, diesen Teil ihrer Geschichte kritisch aufzuarbeiten. Das Betheler Forschungsprojekt umfasste 2001/2002 ein Jahr der intensiven Recherche und Auswertung. Die Sachakte im Hauptarchiv gab erste Informationen zu Männern und Frauen, die in Bethel unter Zwang zur Arbeit verpflichtet waren. Dort sind Namen genannt, Einsatzorte in der Betheler Landwirtschaft und den Handwerksbetrieben aufgelistet sowie Arbeitskommandos erwähnt. Die Historikerin Regina Mentner M.A., die mit dem Forschungsprojekt betraut war, legte eine personenbezogene Datenbank an, in der biografische Informationen, Einsatzdauer, Einsatzorte und weitere Lebensbedingungen zu den in Bethel eingesetzten Männern und Frauen gebündelt wurden. Zu den landwirtschaftlichen und handwerklichen Betrieben in der Ortschaft Bethel sowie in den Zweiganstalten Eckardtsheim, Freistatt und Hermannsheide, bei denen es Hinweise auf den Einsatz von Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen gab, wurden alle entsprechenden Sachakten im Zeitraum 1939 bis 1945 im Hauptarchiv akribisch ausgewertet. Ziel war es, „Bethel in das System der Zwangsarbeit, in den Kontext des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs einzuordnen", so Mentner (S. 67). Umfangreich wurde auch im Landesarchiv NRW Abteilung Ostwestfalen-Lippe (damals Staatsarchiv), im Stadtarchiv Bielefeld, im Stadtarchiv Verl (damals Gemeindearchiv) sowie im Gemeindearchiv Augustdorf geforscht, um die Arbeits- und Lebensbedingungen der sogenannten ausländischen Zivilarbeiter zu eruieren. Die Erarbeitung des Themas erfolgte im Rahmen der Forschungsstelle für Diakonie- und Sozialgeschichte an der Kirchlichen Hochschule Bethel. Deren Leiter, Prof. Dr. Matthias Benad, auch Mitherausgeber der anschließenden Veröffentlichung, beschäftigte sich in seinem Aufsatz allgemein mit Bethel im Nationalsozialismus. Nachdem im Laufe der Studie deutlich geworden war, dass in Bethel zudem zahlreiche Kriegsgefangene zur Arbeit eingesetzt wurden, kam es zu einer Erweiterung des Forschungsgegenstandes. In einem gesonderten Aufsatz beschäftigten sich Volker Pieper, der zuvor bereits Mitautor einer Veröffentlichung zum Stalag 326 war, und Kerstin Stockhecke, Leiterin des Hauptarchivs Bethel, mit dem Einsatz von Kriegsgefangenen. Die Quellenlage zu dieser Thematik war ähnlich dürftig. Auch hier existierte eine einzige Sachakte und die weiteren Recherchewege verliefen daher analog zu dem Vorgehen bei den zivilen Zwangsarbeitern und -arbeiterinnen. Auf diese Weise ließen sich Befunde zu den Arbeitskommandos und deren zahlenmäßige Stärke ermitteln und in den allgemeinen Einsatz von Kriegsgefangenen einordnen, während sich Aussagen über das tägliche Leben der Kriegsgefangenen nur sehr vereinzelt fanden. Mit einem Aufsatz von Jan Cantow, Leiter des Archivs der Hoffnungstaler Stiftungen Lobetal, wurde der gesamte Themenbereich zusätzlich räumlich erweitert. Er untersuchte den "Ausländereinsatz" in der ebenfalls zu den v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel gehörende Einrichtung in der Nähe von Berlin. Eine Besonderheit untersuchte Reinhard Neumann in seinem Beitrag. Die Diakonenanstalt Nazareth verpflichtete als sogenannte Freie Helfer insgesamt 28 Männer, vor allem junge Studierende aus Frankreich, die entgegen den sonst typischen Einsatzgebieten für Zwangsarbeiter, vor allem in der Krankenpflege eingesetzt waren.

Der 288 Seiten umfassende Sammelband erschien 2002. Damit stellte sich Bethel als erste diakonische Einrichtung diesem Teil ihrer Vergangenheit.  

 

Literatur:

Benad, Matthias/ Mentner, Regina (Hg.), Zwangsverpflichtet. Kriegsgefangene und zivile Zwangsarbeiter (-innen) in Bethel und Lobetal 1939-1945, Bielefeld. 2002.